Inhalt / Kritik
Als im nördlichen Oklahoma Anfang der 1920er Jahre Öl entdeckt wird, beginnt eine harte Ära für das einheimische indigene Volk. Fortan bekommen sie Ärger mit reichen, weißen Männern, die das große Geld riechen. Unter ihnen befindet sich der alte William Hale (Robert De Niro), der für seine skrupellosen Pläne seinen Neffen Ernest Burkhart (Leonardo DiCaprio) rekrutiert. Als sie die nächsten Jahre ihren weitreichenden Plan in die Tat umsetzen, um ihre Macht auszubauen, ahnen sie noch nichts vom FBI, welches eines Tages vor der Tür steht und Ermittlungen aufnimmt. Im Zentrum stehen dabei Todesfälle von mehreren Indianern, die alle auf Burkharts Indianer-Ehefrau Mollie (Lily Gladstone) hinführen. Als die dunklen Pläne wie ein Kartenhaus in sich einstürzen, wird jeder der Involvierten mit derselben Frage konfrontiert: Wie sehr kann man den Mittätern vertrauen?
Garantierte Erfolgsaussichten?
Kein Film, ja nicht einmal Indiana Jones und das Rad des Schicksals, wurde auf den diesjährigen Filmfestspielen in Cannes so sehr erwartet wie der neue Film vom Meisterregisseur Martin Scorsese. Und was für ein Scorsese: Leonardo DiCaprio ist wieder mit von der Partie und Robert Ne Niro ist sowieso schon längst zum Standardrepertoire geworden. Dazu ein 200 Millionen Dollar Budget, um eine auf wahren Begebenheiten basierende Geschichte über die Osage-Morde zu inszenieren und voilà, der Erfolg sollte eigentlich sicher sein. Damit lässt sich zudem auch Geschichte aufarbeiten und konfrontiert das Publikum mit einer harten geschichtlichen Realität, vor der teilweise bis heute die Augen verschlossen werden. Die Gefahr, dass man in dem Film eine unsichtbare Checkliste sieht, in der alles abgehakt wird, um es dem Publikum recht zu machen, schwingt aber zu jeder Zeit mit.
Narrativ gescheitert
Leider ist genau dies der Fall, was sich schon allein an den Figuren zeigt. Lustige Momente, in denen entweder ein bittersüßer oder schwarzer Humor innewohnt, werden nämlich nur belacht, weil es sich um De Niro und DiCaprio handelt. Ob der Film mit einem anderen Cast genauso funktionieren würde, ist fraglich, sogar sehr fraglich. Die beiden Hollywood-Ikonen haben nämlich alle Hände damit zu tun, die Geschichte auf ihren Schultern zu tragen. Bei der liegt nämlich das eigentliche Problem, da es sich anfühlt, als hätte Scorsese Zeile für Zeile aus der Buchvorlage Killers of the Flower Moon: The Osage Murders and the Birth of the FBI übernommen. Zu literarisch erscheinen immer wieder die Dialoge, welche sich alles andere als eine filmische Narrative anfühlen.
Das, was der Film machen müsste, um diesen Eindruck entgegenzuwirken, ist zwar hin und da vorhanden, jedoch zu spärlich gesät: Ein meisterhaftes Schauspiel, wobei die Betonung auf Spiel liegt. Den Figuren Leben einhauchen und das dramatische wie humoristische Potential herauskitzeln, sind nur zwei Beispiele, die man hier nennen könnte. Wie bereits gesagt, ist dies schon vorhanden, besonders dann, wenn es zum sprachlichen Schlagabtausch zwischen den Hollywood-Ikonen kommt. In der Gesamtheit mangelt es hinsichtlich dessen immer wieder, zumal der Film mit dreieinhalb Stunden eine gigantische Laufzeit mitbringt.
Wie es im Buche steht…
Da fast alle Figuren immer häufiger naiv und oder unüberlegt handeln, kommt zudem ein merkwürdiges Gefühl hinzu, ob hier irgendeine Intention seitens Scorsese vorliegt. Die Antwort auf diese Frage lüftet sich tatsächlich erst in den letzten fünf Minuten, was noch das Beste am gesamten Film darstellt. Bis dahin ist es aber ein steiniger Weg, der, so hat es den Eindruck, von Scorsese schön mit einem Teppich ausgekleidet wurde. Ganz besonders zeigt sich dies bei der fast schon öden Kapitalismuskritik und politischen Note. Dass die sicherlich erzählenswerte Geschichte böse weiße Männer sowie arme und malträtierte indigene Urvölker portraitiert, ist ja das eine. Dass darauf mal mehr, mal weniger klischeehaft dreieinhalb Stunden herumgetanzt wird, das andere.
Bestenfalls Durchschnitt
Dass die Nebenfiguren immer wieder den Eindruck erwecken, als wären sie nur nettes Beiwerk, spielt Killers of the Flower Moon nicht in die Karten. Eigentlich eine Frechheit, da DiCaprios Filmfrau Mollie, der FBI Agent White (Jesse Plemons) aber auch der Anwalt Hamilton (Brendan Fraser) eine tolle Leistung abliefern, die unter dem metaphorischen Glanz von De Niro und DiCaprio aber immer wieder untergehen. Nur dann, wenn die Figuren zur Hochform auflaufen, zeigt sich der Film von seiner besten Seite, wohingegen die Inszenierung an jeder anderen Stelle nur durchschnittlich ausfällt. Die hübschen Bilder und der auch sonst größenwahnsinnige production value können da auch nicht viel dran ändern. Der langersehnte neue Scorsese-Film ist damit eher enttäuschend und es zeigt sich einmal mehr: Es ist nicht alles Gold, was glänzt.
Credits
OT: „Killers of the Flower Moon“
Land: USA
Jahr: 2023
Regie: Martin Scorsese
Drehbuch: Eric Roth, Martin Scorsese
Vorlage: David Grann
Musik: Robbie Robertson
Kamera: Rodrigo Prieto
Besetzung: Leonardo DiCaprio, Jesse Plemons, Lily Gladstone, Robert De Niro, Brendan Fraser, Barry Corbin
Interview
Ihr wollt mehr über den Film erfahren? Wir durften an der exklusiven Pressekonferenz zu Killers of the Flower Moon teilnehmen und verraten euch, was Regie-Legende Martin Scorsese über sein Krimidrama zu sagen hatte.
Martin Scorsese [Interview]
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